Histologischer Atlas im Internet
Autor & Editor: Dr. med. H. Jastrow
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Querschnitt durch das menschliche Rückenmark in Höhe Segmentübergang C2-C3
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Das Rückenmark (Terminologia histologica: Medulla spinalis; englisch: spinal cord) verbindet das Gehirn mit dem peripheren Nervensystem des Körpers und beinhaltet neben der innen gelegenen, schmetterlingsförmigen, grauen Substanz (Substantia grisea) mit oft in Kernen angeordneten Nervenzellen (Neurone) eine Vielzahl von außen angelagerten Faserbahnen, die als weiße Substanz (Substantia alba) zusammengefaßt werden. Hierbei unterscheidet man aufsteigende (Tractus ascendentes), absteigende (Tractus descendentes) und den Eigenapparat (Fasciculi proprii). Letzterer besteht aus Fasern, die verschiedene Segmente des Rückenmarks miteinander verbinden. Die meisten auf- und absteigenden Bahnen sind somatotop gegliedert, d.h. sie haben einen nach Segmenthöhe geordneten Aufbau. Das Rückenmark wird von einer durch Astrocyten gebildeten Lamina limitans gliae superficialis überzogen, die von der darüber gelegenen weichen Rückenmarkshaut, der Pia mater spinalis, überzogen wird. In dieser finden sich die Blutgefäße, die kranzförmig das Rückenmark umgeben. Im Bereich der Fissura mediana anterior liegt die unpaare A. spinalis anterior, während sich hinten im Bereich zwischen Sulcus intermedius posterior und Sulcus posterolateralis rechts und links je eine A. spinalis posterior findet. Die Venen (Venae spinales externae anteriores und posteriores) gelangen, wie auch die Arterienäste, als Sulcocommissuralgefäße in der Fissura mediana anterior oder an vielen anderen Stellen ins Innere, wo sie sich als Arteriae bzw. Venae spinales internae weiterverzweigen. Seitlich am Rückenmark vereinigen sich Bindegewebsstränge der Pia mit von der Spinngewebshaut (Arachnoidea) einstrahlenden Bindegewebsfasern zum Ligamentum denticulatum, das der seitlichen Befestigung dient. Die von den Spinalganglien stammenden Hinterwurzelfasern der Spinalnerven (Radices posteriores oder dorsales) treten im Bereich vor dem Sulcus posterolateralis ins Rückenmark ein und bringen als afferente Fasern Reize zum Rückenmark, die hier im Hinterhorn umgeschaltet oder weitergeleitet werden. In der Regel teilen sich die Fasern in verschiedene Kollateralen, die zum einen Teil zu Interneuronen in der grauen Substanz, zum anderen Teil in somato- oder visceroafferente Faserbahnen weiterziehen. Diese Interneurone sind für Reflexe wesentlich, die eine sehr schnelle Reaktion auf "Gefahrenreize", z.B. beim Stolpern, durch direkte Ansteuerung von Muskeln steuernden (motorischen) Kernen innerhalb desselben (intrasegmental) oder in benachbarten Segmenten (intersegmental) über ihre via Eigenapparat ziehenden Axone ermöglichen. Die efferenten, meist motorischen, Fasern, welche größtenteils aus den Motoneuronen von Muskelkernen (Nuclei musculorum) des Vorderhorns stammen, verlassen als Vorderwurzelfasern der Spinalnerven (Radices anteriores) das Rückenmark an verschiedenen Stellen des vorderen seitlichen Bereichs. Das Rückenmark wird in Segmente untergliedert, die bestimmte Körperbereiche versorgen und sich aus den Spinalnerven ableiten, die aus gebündelten afferenten (Reize zum Rückenmark bringenden) sowie efferenten (Impulse vom Rückenmark sendenden) Fasern bestehen, die einen genau definierten Abschnitt des Körpers erreichen. Man unterscheidet von oben nach unten 8 Hals- = Cervikalsegmente [C1-C8], 12 Brust- = Thorakalsegmente [Th1-Th12], 5 Lenden- = Lumbalsegmente [L1-L5], 5 Kreuzbein- = Sakralsegmente [S1-S5] und 3 Steißbein- = Coccygealsegmente [Co1-3].
Außen wird das Rückenmark von der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) umgeben. Diese findet sich auch im Inneren des feinen, von Ependymzellen (Ependymum) ausgekleideten, Zentralkanals (Canalis centralis), der in der Mitte der grauen Substanz gelegen ist.
graue Substanz (Substantia grisea):
Die graue Substanz enthält die zu Zellsäulen bzw. Kernen geordneten Nervenzellen (Neurone). Sie wird unterteilt in eine Vordersäule (Columna anterior oder ventralis), die im Schnitt als Vorderhorn (Cornu ventrale oder anterius) erscheint, in eine Hintersäule (Columna posterior oder dorsalis), die im Schnitt als Hinterhorn (Cornu posterius oder dorsale) imponiert und eine Seitensäule (Columna lateralis; nur in den Segmenten Th1 - L2 vorhanden) welche als Seitenhorn (Cornu laterale) angeschnitten wird. In den meisten Segmenten erscheint die graue Substanz schmetterlingsförmig. Sie ist in den die Muskulatur von Extremitäten steuernden Bereichen verdickt (Intumescentia cervicalis - Arme, bzw. Intumescentia lumbalis - Beine).

Zellarten:
Die graue Substanz enthält ca. 200.000 Reize fortleitende (efferente) Wurzelzellen die vorliegen als:
1. große Vorderhornzellen (alpha-Motoneurone zu quergestreiften Skelettmuskelfasern),
2. kleine Vorderhornzellen (gamma-Motoneurone zu intrafusalen Muskelfasern von Muskelspindeln),
3. Nervenzellen des Sympathicus (nur in den Seitenhörnern der Segmente C8 - L2 gelegen; visceromotorische und -sekretorische Steuerung) sowie
4. Nervenzellen des Parasympathicus (zwischen Vorder- und Hinterhorn nur in den Segmenten S2-S4 gelegen; visceromotorische und -sekretorische Steuerung).
Ferner finden sich Binnenzellen (Schaltzellen), die als in der Regel hemmende Interneurone Nervenzellen gleicher und benachbarter Segmente zum Teil auch kontralateral innerhalb des Rückenmarks miteinander verbinden.
Im Bereich der Hinterhörner oder dorsalen Teilen der Zona intermedia (mediale Lamina 7) liegen die Strangzellen, Interneurone, die Afferenzen aus der Hinterwurzel erhalten und deren Neuriten den Eigenapparat (Fasciculi proprii) bilden. Eine Unterart davon sind die besonders in Lamina 7 vorkommenden Renshaw-Zellen, die von Kollateralen der großen alpha-Motoneurone innerviert werden und im Sinne eines Feed-back-Mechanismus Fortsätze mit hemmenden Synapsen zu letzteren senden. Als Assoziationszellen werden multipolare, kleine Zellen bezeichnet, die in den Randpartien der grauen Substanz liegen und ihre Axone in den Eigenapparat (Fasciculi proprii) abgeben.

Kernsäulen und Kerngebiete
Die zumeist somatomotorischen Wurzelzellen bilden Zellgruppen (Kerne = Nuclei) bzw. sich über mehrere Segmente erstreckende Kernsäulen die bestimmte Muskeln bzw. Muskelgruppen versorgen. Ebenso formen die Neurone des Sympathicus bzw. Parasympathicus zum vegetativen Nervensystem gehörende Kerngebiete. Die allermeisten Kerngebiete liegen nur in bestimmten Segmenten vor, folglich zeigen alle Rückenmarkssegmente nur die für sie spezifischen Kerne.
In der im Vorderhorn lokalisierten Vordersäule unterscheidet man eine mediale (Nucleus ventromedialis [C1-Co1]; Nucleus dorsomedialis [Th1-L3]), eine zentrale (Nucleus nervi phrenici [C4-C7]; Nucleus lumbosacralis [L1-S1]; Nucleus nervi accessorii [Radix spinalis C1-5 oder 6]) und eine laterale Kerngruppe (Nucleus ventrolateralis [C4-8 und L2-S1]; Nucleus dorsolateralis [C5-Th1 und L2-S2]; Nucleus retrodorsolateralis [C8-Th1 und S1-3]). Die laterale Zellgruppe kommt nur in den Intumescenzen vor und beinhaltet die Motoneurone der Gliedmaßenmuskeln. Allen größeren Muskeln lassen sich hier spezifische Nuclei musculares zuordnen.
In der zwischen Vorder- und Hintersäule gelegenen Zona intermedia und dem, nur in einigen Rückenmarkssegmenten vorhandenen, Seitenhorn gibt es eine laterale Säule (Nucleus intermediolateralis [C8-L2, Ursprungsgebiet des Sympathicus mit Eingeweide steuernden (visceromotorischen) Wurzelzellen, sendet Axone über die Vorderwurzeln als Rami communicantes albi zum Grenzstrang = Truncus sympathicus]; Nucleus intermediomedialis [Th1-L2]; Nucleus parasympathicus sacralis [S2-S4, sakraler Teil des Parasympathicus der über die Nervi splanchnici pelvini in den Plexus pelvinus zieht und die Beckeneingeweide versorgt]).
Die im Hinterhorn lokalisierte Hintersäule zeigt medial und basal den Nucleus thoracicus dorsalis = Stilling-Clarke'sche Säule [C8-L3]. Diese erhält propriozeptive Erregungen und zieht im Tractus spinocerebellaris dorsalis zum Kleinhirn, einen Nucleus proprius ([C1-Co1]; gehört zu Lamina 3 und 4), einen netzförmigen Kern (Nucleus reticularis; laterale Lamina 5 [C1-Co1]; erstreckt sich um das Eigenbündel der Hintersäule herum) und die Substantia gelatinosa [C1-Co1].

Schichten (Laminae)
Die Gliederung der grauen Substanz in Schichten geht auf Rexed (1964) zurück, der nach Zellform, -größe, -verteilung und anderen morphologischen Kriterien 10 Laminae unterschied.
Lamina 1 (= Zona spongiosa = Zona marginalis = Apex cornuis dorsalis). Hier finden sich, von vielen Nervenfaserbündeln des Tractus dorsolateralis (Lissauer) durchsetzt, kleine spindelförmige Zellen neben einigen mittelgroßen Zellleibern.
Lamina 2 (= Substantia gelatinosa) Dieses Band dicht gelagerter kleiner Zellen besteht aus größtenteils aus Interneuronen, die aus dem Nucleus raphe magnus des Rhombencephalons serotonerge Impulse erhalten und hemmend auf die primären Schmerzfasern der Lamina 5 wirken, wodurch die Schmerzempfindung gedämpft wird. Andere Interneurone dieser Schicht wirken als kleine Schaltzellen, da ihre Axone an andere Stellen derselben Schicht ziehen.
Lamina 3 enthält größere, weniger dichte Zellen als Lamina 2 und den dorsalen Teil des Nucleus proprius der Hintersäule.
Lamina 4 ist die breiteste Zone des Hinterhorns und enthält Zellen unterschiedlicher Größe und Form sowie den ventralen Teil des Eigenkerns (Nucleus proprius) der Hintersäule.
Lamina 5 bildet die Halsregion des Hinterhorns (Collum cornuis dorsalis) und zeigt im lateralen Teil das Eigenbündel der Hintersäule (Fasciculus longitudinalis columnae posterioris) sowie zu einem netzförmigen Kern (Nucleus reticularis) geordnete Zellen. Im breiteren medialen Teil findet sich die Substantia visceralis secundaria, wo visceroafferente (vegetative) Fasern der Hinterwurzel enden. Sensorische Reize werden hier mit Efferenzen aus verschiedenen Hirnrindenarealen integriert.
Lamina 6 zeigt im medialen Drittel dicht gelagerte kleine Zellen und in den beiden lateralen Dritteln dreieckige und sternförmige Zellen. Lamina 6 fehlt in den Segmenten Th4 bis L2 und ist im Bereich der Intumescenzen am breitesten. Auch hier werden sensorische Reize mit Efferenzen aus verschiedenen Hirnrindenarealen integriert.
Lamina 7 ist eine breite heterogene Zone, die von der Zona intermedia bis lateral um die Lamina 9 herum vorliegt, wo mittelgroße Zellen zu finden sind. Im Thorakalmark enthält sie den Nucleus thoracicus dorsalis, ferner den Nucleus intermediomedialis und -lateralis. Die Lamina 7 ist eine vom Mesencephalon und Kleinhirn beherrschte Reflexzone mit vielen Renshaw-Zellen, die für Körperhaltung und Bewegungskoordination auch über umfangreiche propriospinale Verbindungen zu verschiedenen Rückenmarkssegmenten verfügt.
Lamina 8 enthält kleine und mittelgroße Zellen, die zum Teil als Kommissuren-Zellen (gehören zu den Binnenzellen) Axone über die Commissura alba zur Gegenseite schicken. Lamina 8 soll über gamma-Motoneurone als Modulator und Koordinator für Muskelaktivität wirken.
Lamina 9 enthält die großen alpha-Motoneurone von Muskelkernen, aber auch gamma-Motoneurone und Interneurone. In dem hier gezeigten Schnitt des Cervikalmarks erkennt man den Nucleus spinalis nervi accessorii (XI. Hirnnerv) und den Nucleus ventromedialis. Lamina 9 ist die primäre motorische Zone der grauen Substanz des Rückenmarks.
Lamina 10 entspricht der den Zentralkanal umgebenden Substantia gelatinosa centralis und enthält den für die Genitalfunktion wichtigen, vegetativen Tractus parependymalis.

weiße Substanz (Substantia alba):
Die weiße Substanz besteht nur zum kleinen Teil aus Zellen: Astrocyten, Oligodendrocyten und Endothelzellen von Blutgefäßen, hauptsächlich aber aus verschieden dicken von einer aus vielen Zellmembranwicklungen bestehenden Markscheide umgebenen = markhaltigen = myelinisierten und marklosen Faserbahnen. Die weiße Substanz umgibt die graue vollständig und wird grob unterteilt in den Vorderstrang (Funiculus anterior oder ventralis; reicht von der Fissura mediana anterior, wo beide Seiten über die Commissura alba verbunden sind, bis zu den lateralsten Bündeln der Vorderwurzel), den Seitenstrang (Funiculus lateralis; reicht von den lateralsten Bündeln der Vorderwurzel bis zu den ersten Bündeln der Hinterwurzel) und in den Hinterstrang (Funiculus posterior; reicht vom Septum posterius bis zu den Bündeln der Hinterwurzel). Die Stärke und Anordnung der Faserbahnen der weißen Substanz sind spezifisch für jedes Segment.

Aufsteigende Bahnen:
Hinterstrangbahnen (Funiculus posterior)
1. Tractus spinobulbaris medialis = Fasciculus gracilis (Goll'scher Strang; stammt von der unteren Körperhälfte: Segmente L1-Co3)
2. Tractus spinobulbaris lateralis = Fasciculus cuneatus (Burdach'scher Strang; stammt von der oberen Körperhälfte: Segmente C1-Th12)
Segmentale und streng somatotope Gliederung, auf derselben Körperseite (= ipsilateral), zur Medulla oblongata ziehend, wo im Nucleus gracilis (Goll; 1) bzw. Nucleus cuneatus (Burdach; 2) die Umschaltung auf das zweite Neuron erfolgt. Die zweiten Neuronen kreuzen als Fibrae arcuatae internae im Bereich der Medulla oblongata und ziehen weiter als Lemniscus medialis (Tractus bulbothalamicus) zur Gegenseite, um im Nucleus ventralis posteromedialis bzw. Nucleus ventralis posterolateralis des Thalamus zu enden. Hier liegen die dritten Neurone, die noch Zuflüsse (Afferenzen) aus dem Nervus trigeminus (V. Hirnnerv) erhalten und ihre Axone als Tractus thalamocorticalis (= Pedunculus thalami superior) zu den Areae 1, 2 und 3 der Großhirnrinde entsenden, wo die, nur zum Teil bewußte, Wahrnehmung erfolgt.
Funktionell werden folgende vom Körper wahrgenommene (= somatoafferente) Impulse weitergeleitet:
a. Oberflächensensibilität = exteroceptiv: Die Impulse stammen von Mechanorezeptoren für feine Berührungen der Haut (z.B. Meissner Tastkörperchen, Merkelzellen) und werden über die Dendriten von A-Neuronen empfangen, die die größten Ganglienzellen der Spinalganglien sind. Die mit dicken Markscheiden ausgestatteten Axone (A-Fasern) dieser Zellen laufen über die medialen Bündel der Hinterwurzeln und teilen sich im Rückenmark. Die langen Axonkollateralen bilden den Hinterstrang, während die kurzen für Reflexe zu Interneuronen der grauen Substanz ziehen. Die hier geleiteten Impulse der epikritischen Sensorik sind genau lokalisierbar.
b. proprioceptiv: Dendriten aus Muskelspindeln, Sehnenorganen, Vater Pacini-Körperchen, freien Nervenendigungen in Gelenkkapseln leiten die Impulse zu ihren Nervenzellleibern (Perikarya) in Spinalganglien, deren Axone die Hinterstrangbahnen bilden. Auf diese Weise werden wahrgenommen: Tiefensensibilität, Vibration, Stellung des Körpers im Raum, die Lage und der Beugungsgrad von Gelenken, die Ausgiebigkeit von Bewegungen (Bewegungssinn = Kinästhesie) und der Kraftsinn.
Einige Fasern der Hinterstrangbahnen verlassen diesen in höheren Segmenten und enden im Nucleus thoracicus dorsalis, nach der Umschaltung an dessen Neuronen werden die Impulse dann in den aufsteigenden Kleinhirnbahnen weitergeleitet.

Rückenmark-Thalamus Bahnen (Tractus spinothalamicus anterior und lateralis)
Afferenzen der protopathischen Sensorik von freien Nervenendigungen die Wärme-, Kälte-, Schmerz- und grobe mechanische Einwirkungen wie Quetschung, Gewebszerstörung an ihre pseudounipolaren Perikarya in den Spinalganglien leiten. Die Axone dieser Spinalganglienzellen enden an Strangzellen des Hinterhorns. Letztere sind die zweiten Neurone, deren Axone in der Commissura alba zur Gegenseite kreuzen und über die sensible, somatotop gegliederte Vorderseitenstrangbahn weiter zum Thalamus laufen. Dabei leitet der Tractus spinothalamicus lateralis bevorzugt Erregungen von Schmerz und Temperatur, der Tractus spinothalamicus ventralis bevorzugt durch grobe Druck- und Berührungsreize verursachte Impulse weiter.
Tractus spinothalamicus lateralis:
Die Reize werden über freie Nervenendigungen, die Dendriten des 1. Neurons (kleine Perikarya in den Spinalganglien) aufgenommen. Die Axone dieser pseudounipolaren Ganglienzellen sind markarm bis marklos (Delta- und C-Fasern) und vereinigen sich im lateralen Bündel der Hinterwurzel (Radix dorsalis). Sie ziehen weiter durch den Fasciculus dorsolateralis und geben
a.) kurze über 1-2 Segmente aufsteigende Kollaterale zu Strangzellen der Lamina 5 ab. Die meist dünnen markhaltigen Axone dieser zweiten Neurone kreuzen in der Commissura alba im gleichen oder darüber gelegenen Segment zur Gegenseite und vereinigen sich zum Tractus spinothalamicus lateralis, der sich an den Tractus spinocerebellaris anterior anschließt und nach Abgabe von Kollateralen an die Formatio reticularis im Thalamus (Nucleus ventralis posterolateralis und ventral davon, sowie im medialen Anteil des medialen Kniehöckers = Corpus geniculatum mediale) endet. Von hier ziehen die Axone des dritten Neurons zur den Areae 1, 2 und 3 der Großhirnrinde, wo die bewußte Wahrnehmung erfolgt;
b.) absteigende Kollaterale, die sich mit Zellen in den Laminae 1,4,7 und 8 des Eigenapparates verbinden und so Reflexe auslösen können.
Tractus spinothalamicus ventralis (oder anterior):
Die ersten Neurone dieser Bahn sind mittelgroße Spinalganglienzellen, deren markhaltige Axone (A-beta Fasern) im medialen Bündel der Hinterwurzel (Radix dorsalis) den Fasciculus dorsolateralis erreichen. Hier teilen sie sich T-artig: die absteigenden Äste führen ähnlich wie beim Tractus spinothalamicus lateralis zu an Reflexmechanismen beteiligten Interneuronen, während die übrigen über mehrere Segmente aufsteigen, um in den Laminae 2 , 3 und 4 des Hinterhorns an diffus verteilten Zellen (zweite Neurone) zu enden. Deren Axone kreuzen in der Commissura alba und verlaufen dann im vorderen (ventralen) Tractus spinothalamicus zur Medulla oblongata, wo sich dieser dem lateralen Tractus spinothalamicus anschließt und mit diesem gemeinsam (wie oben geschildert) weiterverläuft.

aufsteigende Rückenmarks-Kleinhirnbahnen (Tractus spinocerebellares)
Diese Bahnen leiten Erregungen aus Muskeln, Gelenken und Sehnen, sowie Berührungs- und Druckwahrnehmungen in guter räumlicher Trennung somatotop gegliedert zum Kleinhirn weiter. Die ersten Neurone dieser Bahnen sind große Zellen und haben ihre Zellkerne im Spinalganglion. Ihre schnell leitenden Axone (markreiche A-Fasern) vereinigen sich im medialen Bündel der Hinterwurzel (Radix dorsalis). Ein Teil zieht in die Hinterstrangbahnen weiter, der andere erreicht die Interneurone (Binnenzellen), aus denen die beiden aufsteigenden Kleinhirnbahnen hervorgehen:
Tractus spinocerebellaris ventralis (oder anterior; Gowers):
Die Nervenzellleiber der zweiten Neurone (Strangzellen) dieses Trakts liegen an der Basis der Hintersäule lateral in den Laminae 5, 6, und 7 sowie dem Nucleus proprius. Ihre Axone kreuzen überwiegend in Segmenthöhe zur Gegenseite und ziehen über die Medulla oblongata und den Pons, wo eine erneute Kreuzung stattfindet, via oberem Kleinhirnstiel (Pedunculus cerebellaris cranialis) ins Kleinhirn.
Tractus spinocerebellaris dorsalis (Flechsig):
Dieser Trakt erscheint im Rückenmarksquerschnitt erst ab der Höhe des 3. Lendensegments (L3), obwohl er Impulse aus dem sakralen und lumbalen Bereich leitet. Diese werden nämlich zunächst als Axone des ersten Neurons im Fasciculus gracilis geleitet, treten dann ab Höhe L3 in den Nucleus thoracicus dorsalis, der auch absteigende Axonkollateralen des Hinterstrangs erhält, ein und enden hier. Die Axone der zweiten Neurone bündeln sich und steigen im Tractus spinocerebellaris dorsalis zum ipsilateralen unteren Kleinhirnstiel auf, über den sie schließlich die Kleinhirnrinde erreichen. Die dem Tractus spinocerebellaris in ihrer Qualität analogen Fasern aus den Cervikalsegmenten ziehen nicht über diesen sondern über den Fasciculus cuneatus, um im Nucleus cuneatus accessorius an ihren zweiten Neuronen zu enden. Deren Axone gelangen über den unteren Kleinhirnstiel schließlich auch ins Kleinhirn.

weitere aufsteigende Bahnen:
Tractus spinotectalis:
Das erste Neuron dieser stammesgeschichtlich (phylogenetisch) sehr alten Bahn ist nicht bekannt, liegt aber sehr wahrscheinlich auch in Spinalganglien. Der eigentliche Trakt geht von Nervenzellen der Hintersäule aus, deren Fasern zur Gegenseite kreuzen und im Mittelhirn in tieferen Schichten des oberen Vierhügels (Colliculus superior) und in seitlichen Bereichen des zentralen Höhlengraus (Nervenzelllage nahe dem Aquaeductus mesencephali) enden.
Tractus spinoreticularis:
Der Tractus spinoreticularis ist auch eine phylogenetisch sehr alte Bahn, die Kollateralen von Nervenzellen aus allen Bereichen des Rückenmarks sammelt. Die Faserbahn verläuft ungekreuzt im Vorderseitenstrang und endet an Zellen der Formatio reticularis, die sich in der Medulla oblongata bzw. der Brücke (Pons) befinden.
Tractus spinoolivaris:
Der Tractus spinoolivaris erhält Afferenzen vor allem aus Sehnenspindeln, aber auch von Haut- und anderen propriozeptiven Rezeptoren, die über Dendriten pseudounipolarer Spinalganglienzellen geleitet werden. Die Axone dieser Zellen treten in die Hinterwurzel ein und erreichen auf Segmenthöhe die Perikarya (Zellleiber) der zweiten Neurone des Tractus spinoolivaris, die sich an der Basis des Hinterhorns befinden. Die Axone dieser Binnenzellen kreuzen zur Gegenseite und ziehen zu Olivenkernen, genauer: den Nuclei olivares accessorii medialis und lateralis, wo sich das dritte Neuron findet, dessen Axon schließlich in der Kleinhirnrinde endet.

Absteigende Bahnen:
Alle absteigenden Bahnen leiten Impulse aus der Großhirnrinde oder tiefer gelegenen (subcorticalen) Kerngebieten über das Rückenmark entweder direkt oder über Verschaltung in Kernen der grauen Substanz des Rückenmarks zu Muskeln oder unwillkürlich gesteuerten Effektororganen wie z.B. Drüsen. Die bewußte Bewegung wird von der Großhirnrinde über die Pyramidenbahn gesteuert, deren Rückenmarksanteil die Tractus corticospinales sind. Alle übrigen (nicht willkürlich direkt gesteuerten) Bewegungen von Skelettmuskeln, die unbewußt verlaufen, d.h. der Stützmotorik dienen, erfolgen außerhalb dieser Pyramidenbahn und werden daher als extrapyramidal motorisches System zusammengefaßt. Sie nehmen in der Regel von Zentren oder Kerngebieten des Hirnstamms ihren Ausgang und enden direkt oder über Interneurone vor allem an gamma-Motoneuronen aber auch an alpha-Motoneuronen des Vorderhorns. Daneben gibt es noch die vegetativen Effektorbahnen, die die Aktivität glatter Muskel- oder Drüsenzellen beeinflussen.

Pyramidenbahnsystem (Tractus corticospinales - pyramidales)
Die beiden in das Rückenmark absteigenden Tractus corticospinales (lateralis bzw. ventralis) bestehen aus weit über 1 Million unterschiedlich dicken und mit Markscheiden verschiedener Durchmesser ausgestatteten Axonen von Pyramidenzellen. Diese liegen ganz überwiegend in der fünften und dritten Schicht des Isocortex (Stratum pyramidale externun und internum) der Großhirnrinde, und zwar überwiegend der primär-, aber zum Teil auch der sekundär- und selten tertiär motorischen Hirnrindenareale. Diese finden sich im frontalen bzw. parietalen Cortex vor dem Sulcus centralis bzw. praecentralis des Telencephalons (Endhirns) in den Areae 1, 2, 3, 4 und 6 (nach Brodmann) und sind somatotop (Körperregionen spezifisch) gegliedert. Die Fasern ziehen durch die innere Kapsel (Capsula interna) und die Hirnschenkel (Pedunculi cerebri) unter der Brücke (Pons) hindurch und bilden an der Oberfläche der folgenden Medulla oblongata eine pyramidenförmige Vorwölbung (daher der Name Pyramidenbahn). Kurz später kreuzen ca. 75-90% der Fasern in der Pyramidenbahnkreuzung (Decussatio pyramidum) auf die Gegenseite, um sich am Übergang der Medulla oblongata zum Rückenmark im Tractus corticospinalis lateralis zu sammeln, während die Fasern, die die Seite nicht wechseln (ipsilaterale Fasern), im Tractus corticospinalis ventralis verbleiben. Beide Bahnen ziehen somatotop gegliedert nach caudal weiter. Der Tractus corticospinalis ventralis kreuzt segmental in der Commissura alba zur Gegenseite und endet in der Zona intermedia und im zentromedialen Teil des Vorderhorns.

Extrapyramidales System (Tractus exprapyramidales)
Tractus reticulospinalis:
Der Tractus reticulospinalis entspringt von Neuronen der Formatio reticularis und verläuft über polysynaptische Neuronenketten (miteinander verschaltete Nervenzellstränge), von denen jede Axonkollaterale in cervikale, thorakale und lumbale Segmente entsendet. Der Trakt besteht aus einem Seitenstrang = Tractus bulboreticulospinalis, dessen Perikarya in der Formatio reticularis im Nucleus reticularis gigantocellularis der Medulla oblongata liegen. Diese medullären Fasern verbleiben ungekreuzt im ipsilateralen Vorderstrang und enden an Neuronen der zentralen Lamina 7 und der Lamina 9 der grauen Rückenmarkssubstanz. Sie wirken fördernd auf gamma und alpha-Motoneurone der Flexoren (beugende Muskeln) und hemmend auf die Extensoren (streckende Muskeln). Daneben gibt es noch einen Vorderstrang = Tractus pontoreticulospinalis, dessen Ursprungsnervenzellen in Kernen der Formatio reticularis im Bereich der Brücke (Nuclei reticulares pontis oralis und caudalis) liegen. Er endet an Neuronen der Laminae 7 und 8 der grauen Rückenmarkssubstanz und wirkt praktisch entgegengesetzt, d.h. hemmend auf Flexoren und fördernd auf Extensoren. Insgesamt wirkt die Bahn bei der Koordination von Bewegungsabläufen von Arm und Bein und auch bei der Atmung mit.
Tractus vestibulospinalis:
Der im Vorderstrang verlaufende Tractus vestibulospinalis stammt von den Vestibulariskernen des Rautenhirns und endet direkt oder indirekt an alpha- und gamma-Motoneuronen. Er vermittelt Reflexe des Gleichgewichts- und Lagesinns durch Erhöhung des Streckmuskeltonus des gleichseitigen Arms oder Beins, wobei der Tonus der Flexoren reduziert wird. Der Tractus vestibulospinalis wird nach seinen Ursprungskernen unterteilt in den
- Tractus vestibulospinalis lateralis: Dieser Trakt entspringt in den großen und kleinen Neuronen des Nucleus vestibularis lateralis (Deiters) und steigt bis ins Lumbosakralmark ab, um in der ventralen und medialen Lamina 7 und der Lamina 8 zu enden. Hier werden axodendritische und axosomatische Synapsen mit allen Neuronen gebildet und nur wenige Motoneurone direkt gesteuert. Die ventrodorsalen Fasern des Trakts sind für die Hals-, die dorsocaudalen für die lumbosakralen und die dazwischen gelegenen Teile in somatotoper Folge für die Brustsegmente zuständig. Der Nucleus vestibularis lateralis seinerseits erhält vornehmlich Afferenzen aus dem gleichseitigen Nucleus fastigii und der Kleinhirnrinde, wodurch das Kleinhirn indirekt auf Motoneurone einwirken kann.
- Tractus vestibulospinalis medialis: Dieser deutlich kleinere Anteil des Tractus vestibulospinalis stellt den Rückenmarksanteil des Fasciculus longitudinalis medialis dar. Er kommt aus dem Nucleus vestibularis medialis und zieht medial in Richtung Fasciculus sulcomarginalis. Der Trakt reicht nur bis in mittlere Thoraxsegmente, wo er in der ventralen Lamina 7 und der Lamina 8 endet.
Tractus tectospinalis:
Im medialen Vorderstrang verläuft der von den tieferen Schichten der oberen Vierhügeln (Colliculi superiores) des Mesencephalons stammende Tractus tectospinalis, der in der dorsalen Haubenkreuzung (Decussatio tegmentalis dorsalis) die Seite wechselt und im Bereich des Vorderstrangs verläuft. Der Tractus tectospinalis endet indirekt an kontralateralen (gegenseitigen) Motoneuronen in der Lamina 3, 6, 7 und 8 der grauen Rückenmarkssubstanz der den Hals versorgenden oberen Cervikalsegmente. Das bedeutet die Fasern enden an zum Eigenapparat gehörenden Nervenzellen (Interneuronen), deren Axone dann die Motoneurone erreichen und deren Aktivität beeinflussen. Die Faserbahn dient der Vermittlung optischer Stellreflexe des Kopfes.
Tractus olivospinalis (Heleg'sche Dreikantenbahn):
Der Tractus olivospinalis läuft zum Teil mit den gegenläufigen Fasern des Tractus spinoolivaris gemeinsam. Er geht von den Olivenkernen der Medulla oblongata aus. Seine Existenz wird allerdings von einigen Autoren angezweifelt.
Tractus rubrospinalis (Monakow Trakt)
Der Tractus rubrospinalis liegt vor dem Tractus corticospinalis lateralis im Seitenstrang und geht vom großzelligen Bereich (magnozellulären Teil) des roten Kerns (Nucleus ruber) des Mesencephalons aus. Er kreuzt noch im Mesencephalon in der ventralen Haubenkreuzung auf die Gegenseite und verläuft ventral des Tractus corticospinalis lateralis somatotop gegliedert im Rückenmark abwärts. Die Fasern des Tractus rubrospinalis enden in den Laminae 5 und 6 sowie in dorsalen und zentralen Teilen der Lamina 7, wo er erregend auf alpha- und gamma-Motoneurone vorwiegend der Flexoren wirkt. Die streng somatotop gegliederte Bahn fehlt unterhalb der Brustsegmente. Über sie kontrolliert der Nucleus ruber den Tonusin Beugemuskelgruppen.

Vegetative Bahnen
Es gibt verschiedene absteigende Bahnen des vegetativen Nervensystems, die zumeist von Kernen des Hypothalamus ausgehen, im Hirnstamm im Fasciculus longitudinalis dorsalis verlaufen und meist verstreut mit anderen Fasern durch den Vorderseitenstrang ziehen. Sie enden im Nucleus intermediolateralis der grauen Rückenmarkssubstanz oder im Nucleus parasympathicus sacralis des Sakralmarks. Die von diesen Bahnen gesteuerten visceroefferenten Seitenhornneurone innervieren Eingeweide, Genitalorgane und Schweißdrüsen der Haut.
Tractus vasoconstrictorius et sudoferus
Diese Bahn ist eine der beiden abgrenzbaren Bündel autonomer Fasern, die besonders für die Steuerung der glatten Gefäßmuskulatur und der Schweißdrüsen verantwortlich sind.
Tractus parependymalis
Diese relativ kleine Bahn verläuft in der Zona intermedia nahe der Substantia gelatinosa centralis (Lamina 10) der grauen Substanz und ist für die Steuerung der Genitalfunktion wichtig.

Eigenapparat (Grundbündel = Fasciculi proprii)
Der Eigenapparat besteht aus Neuriten von Strangzellen, die verschiedene Segmente des Rückenmarks miteinander verbinden. Diese Fasern werden als Assoziationsfasern bezeichnet (sofern sie auf derselben Seite des Rückenmarks verbleiben), kreuzen sie zur Gegenseite werden sie Kommissurenfasern genannt. Der Eigenapparat ist wichtig für die schnelle Reaktion bei Reflexen, deren Verschaltung auf Rückenmarksebene erfolgt. Zum Eigenapparat werden folgende Faserbahnen gerechnet: Fasciculus interfascicularis (Schultze'sches Komma; nur in Cervikalsegmenten vorhanden), Fasciculus septomarginalis (ovales Feld von Flechsig; nur im Lumbalmark); Philippe-Gombault'sche Triangel (nur im Sakralmark); Tractus oder Fasciculus dorsolateralis (Lissauer'sche Randzone); Längsbündel der Hintersäule (Fasciculus longitudinalis columnae posterioris); Fasciculus proprius lateralis; Fasciculus proprius ventralis; Fasciculus proprius dorsalis; Fasciculus sulcomarginalis und Fasern in der Substantia gelatinosa, sowie Fasern der Commissura alba.

Anmerkungen zur Beschriftung:
Die Beschriftung des Originalschnittes erfolgte unter Verwendung diverser einschlägiger Lehrbücher und Fachliteratur. In einigen Fällen weichen die angegebenen Lokalisationen der Faserbahnen erheblich voneinander ab. In solchen Fällen wurde der in den meisten bzw. zuverlässigsten Quellen angegebenen Topographie gefolgt oder der bestmögliche in den Gesamtkontext passende Kompromiß gesucht. Mit zuverlässigen Quellen belegte Korrektur- oder Verbesserungsvorschläge werde ich gerne berücksichtigen. Falls Sie solche haben sollten, senden Sie diese bitte per E-mail an info@drjastrow.de.

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