Arterielle Versorgung des Gehirns
Autor & Editor: Dr. med. H. Jastrow
Handout der Vorlesung im Rahmen der Habilitation vom 30.6.2008
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Das Gehirn ist das oberste Steuer- und Kontrollorgan des Körpers und auch das morphologische Substrat dessen, was einen Menschen ausmacht. Damit es richtig funktioniert, ist eine konstante Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen notwendig.
Über 5 Min. Unterbrechung der Blutzufuhr (Ischämie) zu einem Hirnareal führt zu einem Absterben des dortigen Nervengewebes (Infarkt) mit irreversiblen Schäden.

Das Gehirn wird von einer ganzen Reihe von Arterien mit Blut versorgt. Allgemein werden sie nach topographischen Gesichtspunkten bzw. den Gebieten bezeichnet, die sie versorgen, z.B. die Arteria frontobasalis lateralis versorgt den unteren, seitlichen Bereich des Vorderlappens. Im Folgenden werden die großen und/bzw. klinisch wichtigsten Arterien näher betrachtet. Detaillierte Verläufe von kleineren Gefäßen finden Sie in Lehrbüchern bzw. Atlanten.
Sauerstoffreiches, arterielles Blut gelangt zum Gehirn entweder über die innere Halsschlagader (Arteria carotis interna) oder die Wirbelsäulenarterie (Arteria vertebralis), die sich beiderseits am Hals finden. Dabei entspringt eine Arteria carotis interna aus der Halsschlagader (Arteria carotis communis), die links aus dem Aortenbogen, rechts aus dem Kopf-Hals-Gefäßstamm (Truncus brachiocephalicus, einem großen Abgang der Aorta) hervorgeht. Die Vertebralarterien sind Abgänge der Schlüsselbeinarterien (Arteriae subclaviae).
Wenn man diese Gefäße am Menschen darstellen möchte, bedient man sich z.B. eines Computertomographen. Kurz nach einer auf Röntgenstrahlenabsorption basierenden Aufnahme wird ein Strahlen absorbierendes Kontrastmittel in eine Vene gespritzt oder über die Oberschenkelarterie mittels Katheter appliziert. Einige Sekunden später wird erneut geröntgt. Subtrahiert man elektronisch das erste vom 2. Bild, so zeigt die gewonnene digitale Subtraktionsangiographie die Gefäße sehr deutlich.

Circulus arteriosus Willisii

Um diese Stereorekonstruktion dreidimensional sehen zu können, bitte eine Hand vor die Nase halten, damit das linke Auge nur das linke und das rechte nur das rechte Bild sieht.

Carotisstromgebiet:
Das Blut der Arteriae carotes internae wird an folgende Äste abgegeben: Die Arteria opthalmica (Augenhöhlenarterie), die durch den Canalis opticus (Sehnervenkanal) in die Augenhöhle (Orbita) zieht. Es folgt die Arteria cerebri anterior (Vorderhirnarterie), die, wie ihr Name verrät, in Richtung Vorderlappen zieht. Die beiden vorderen Hirnarterien sind über eine tatsächlich nur wenige Millimeter lange Anastomose, die Arteria communicans anterior (vordere Verbindungsarterie), verbunden. Je nach Druckverhältnissen kann das Blut hier von links nach rechts oder umgekehrt fließen. Analog verhält es sich auch mit der Arteria communicans posterior (hintere Verbindungsarterie), die die Carotis interna mit der Arteria cerebri posterior (Hinterhirnarterie) verbindet. Da diese Arterie auf der gegenüberliegenden Seite in der Regel auch eine solche Verbindung schafft, entsteht ein Kreis von Arterien, der Circulus arteriosus Willisii. Hier kann das Blut je nach den Druckverhältnissen in den verbundenen Gefäßen fließen. Der letzte Abgang der Carotis interna ist die Arteria choroidea anterior (vordere Plexusarterie), danach wird sie als Arteria cerebri media (mittlere Hirnarterie) bezeichnet. Die ersten Abgänge davon sind die Arteriae centrales (Zentralarterien), die auch als Arteriae thalamostriatae oder lenticulostriatae bezeichnet werden, da sie zu Thalamus und Basalganglien ziehen.
Vertebrobasiläres Stromgebiet:
Nachdem die Vertebralarterien am Hinterhauptsloch (Foramen magnum) in den Schädel eingetreten sind, geben sie jeweils eine Arteria spinalis posterior (hintere Rückenmarksarterie) ab, die unpaare Arteria spinalis anterior (vordere Rückenmarksarterie) entsteht aus der Verbindung der folgenden Äste beider Vertebralarterien. Bevor sich diese zur an der Hirnbasis liegenden Arteria basilaris (Hirnbasisarterie) vereinigen, geben sie noch jeweils eine Arteria cerebelli inferior posterior (untere hintere Kleinhirnarterie) ab. Aus der Arteria basilaris zweigt dann beidseits eine Arteria cerebelli inferior anterior (untere vordere Kleinhirnarterie) ab. Danach folgt die tatsächlich nur ca. 1mm dicke Arteria labyrinthi (Labyrintharterie), die das Innenohr mit Hör- und Gleichgewichtsorgan versorgt. Ergänzen Sie bitte in Ihrem Schema noch ein paar feine Striche für die sehr dünnen Arteriae pontis (Brückenarterien) zur Brücke. Zwischen der folgenden Arteria cerebelli superior (oberen Kleinhirnarterie) und dem stärkeren Endast der Arteria basilaris, der Arteria cerebri posterior (hinteren Hirnarterie) liegt der III. Hirnnerv, Nervus oculomotorius. Im Inneren des Kreises liegt die Hypophyse, zu der noch eine winzige Arteria hypophysealis superior und -inferior zieht.
Der Sinn für die Entstehung des Circulus arteriosus liegt darin, daß durch die Anastomosen langsam entstehende Verkalkungen einzelner zuführender Gefäße kompensiert werden können. Wichtig ist, daß die daraus abgehenden Hirnarterien funktionelle Endarterien sind. Ein Verschluß solcher Gefäße führt, wie oben erwähnt, zur Ischämie, ab > 5 Min. zum Infarkt.

Versorgungsgebiete der Hirnarterien

Beachten Sie, daß die hier gezeigten Areale (primär sensorischer bzw. motorischen Cortex) somatotop gegliedert sind; d.h. die tiefsten Körperareale, wie Fuß und Unterschenkel sind medial an der Fissura longitudinalis (Hirnlängsfurche), Gesicht und Zunge am weitesten lateral in Richtung Lobus insularis (Inselrinde) lokalisiert. Wie farblich codiert erkennbar, versorgt die A. cerebri anterior die Mantelkante und die vorderen 3/4 der an der Fissura longitudinalis gelegenen Areale.
Ein Anteriorinfarkt führt daher zum Ausfall der Sensibilität & Motorik auf der Gegenseite (kontralaterale sensomotorische Parese) des Beins. Da auch das oberste Kontrollzentrum für die Harnblase nahe der Mantelkante liegt, kommt es zusätzlich zum Verlust der Blasenkontrolle (zentrale Blaseninkontinenz).
Beim weitaus häufigeren Mediainfarkt tritt die kontralaterale sensomotorische Parese im Bereich der oberen Extremität und im Gesicht auf (zentrale Facialisparese). Da die Hörrinde und das motorische Sprachzentrum (Broca) sowie das sensorische Sprachzentrum (Wernicke) auch im Versorgungsgebiet der Media liegen und ganz überwiegend linksseitig lokalisiert sind, führt ein linksseitiger Mediainfarkt zusätzlich zum zentralen Hörverlust und Sprachstörungen (Aphasien) sowie der Unfähigkeit zu schreiben (Agraphie). Die Unfähigkeit Gegenstände durch Tasten zu erkennen (taktile Agnosie), kommt durch Schädigung des Scheitellappens (Lobus parietalis) zustande.
Die Arteria cerebri posterior versorgt den seitlichen und unteren Lobus temporalis (Schläfenlappen) sowie den Lobus occipitalis (Hinterlappen), in welchem sich das Sehzentrum befindet. Daher tritt beim Posteriorinfarkt ein beidäugiger Ausfall des Gesichtsfelds der betroffenen Seite, der als homonyme Hemianopsie bezeichnet wird, auf.
Seltene Kleinhirninfarkte führen zu Schwindel und Ataxie (Störung gezielter Bewegungen).
Die meisten Infarkte betreffen nur Äste von Hirnarterien und führen daher nicht zu allen o.g. Ausfällen. Infarkte im Bereich des Marklagers (Capsula interna) führen zur Schädigung von Nervenbahnen mit Ausfall der entsprechend nachgeschalteten Gebiete.
Infarkte beruhen in der Regel auf langsam entstehenden arteriosklerotischen Verengungen von Gefäßen oder auf akuten Verschlüssen durch Blutgerinnsel (Thromben).

Basalganglien
Die Versorgung der Basalganglien erfolgt durch Äste der Arteria choroidea anterior (medialer Globus pallidus), der Arteria communicans posterior (Thalamus), der Arteria cerebri anterior (Caput nuclei caudati = Schweifkernkopf) und vor allem der Arteria cerebri media (lateraler Globus pallidus, Putamen, Claustrum).

Retina
Die Arteria centralis retinae, die zentrale Netzhautarterie, ist ein Ast der Arteria ophthalmica. Sie ist eine Hirnarterie, weil sich die Retina aus einer Ausstülpung des Diencephalons entwickelt hat. Die Augenspiegelung (Link zu einer Abbildung der Retina) erlaubt hier die Diagnose von Mikroangiopathien. Da es sich dabei meist um generalisierte Erkrankungen handelt, ist im positiven Fall davon auszugehen, daß andere Hirnarterien dann ähnlich betroffen sind.

Aneurysmen
An Hirnbasisarterien können gelegentlich pathologische Aussackungen (Aneurysmen) auftreten. Ca. 1,8% der Bevölkerung haben diese, davon treten in ~27% mehrere auf, jedoch wird nur ein kleiner Teil klinisch relevant durch Kopfschmerz, Nervenstörungen, Schwindel und Erbrechen. Die neurochirurgische Entfernung ist heutzutage meist komplikationslos. Aneurysmen liegen bevorzugt an Verzweigungen insbesondere der A. carotis und ihrer Äste. Wenn ein solches Aneurysma bei plötzlichem starken Blutdruckanstieg aufplatzt, kann es zu einer lebensbedrohlichen Subarachnoidalblutung kommen.

--> Links zu elektronenmikroskopischen Abbildungen von: Arterien, Retina, Gehirn, Kleinhirn, Blut
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