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Vokabular der makroskopischen Anatomie
Vocabulary of Gross Anatomy
Editor & Copyright Dr. med. H. Jastrow
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8. Anatomie lernen, verstehen und begreifen - Effektive Tips

a) Die anatomische Arbeitsweise und ihre Nomenklatur sind in der Regel systematisch.

Es zahlt sich aus, durchaus etwas Zeit darauf zu verwenden, die Grundregeln zu erlernen und das Basiswissen ausgiebig zu "pauken". Viele spezielle Fälle lassen sich dann ohne Probleme ableiten - sofern man noch die Ausnahmen kennt.

Beispiele:
1. Häufig laufen eine Arterie, eine Vene und ein Nerv parallel. In der Regel sind sie nach einer benachbarten Struktur benannt und heißen gleich;
z.B. Arteria femoralis, Vena femoralis und Nervus femoralis.

2. Gegensätze treten paarweise auf; das nachgestellte Adjektiv stellt den Unterschied dar.
z.B. wenn es einen Musculus pectoralis major gibt, muß es auch einen Musculus pectoralis minor geben; eine Arteria carotis interna "bedingt" die Existenz einer Arteria carotis externa.

3. Im Namen von Muskeln, Bändern, Faszien und Gelenken sind oftmals die Namen der beteiligten Knochen enthalten.
z.B. zieht der Musculus sternocleidomastoideus von Brustbein (Sternum) und Schlüsselbein (Clavicula; eigentlich griech. cleidos) zum Warzenfortsatz (Processus mastoideus).
Bei anderen geben Funktion, Aussehen und/oder Lage den Namen, z.B. Musculus serratus anterior = vorderer gezackter Muskel

b) Anatomische Begriffe verraten oft auf den zweiten Blick eine ganze Menge.

Viele körperliche Gebilde sind aus der primären Anschauung (zuweilen mit einem Schuß Phantasie) benannt; daher hilft die Übersetzung in die eigene Sprache häufig beim Wiedererkennen von Formen;
z.B. ist das Os hamatum (Hakenbein) deutlich an seinem Hakenfortsatz zu erkennen.

c) Schnell die individuell effektivste Systematik beim Lernen finden.

Viele Wege führen hier zum Ziel; der eine legt sich akribisch Karteikarten an, die er häufig Minute studiert, der andere verfolgt lieber Vorlesungen, andere wiederum pauken fast nur an der Leiche im wechselseitigen Gespräch ...
Man sollte sich stets das Ziel des Kurses vor Augen halten: ein dreidimensionales Bild des menschlichen Körpers muß benannt und funktionell verstanden werden. Anatomisches Denken und sich Dinge herleiten können ist besonders in der späteren Praxis essentiell, da man unmöglich alles auswendig wissen kann.
Es sei nachdrücklich darauf hingewiesen, daß dies nur erreicht werden kann, wenn man anschaulich lernt, d.h. stets ein Bild dessen vor Augen hat, was man lernt. Alleiniges Auswendiglernen von Tabellen (etwa für Muskeln: Ursprung, Ansatz, Innervation und Funktion) ist wenig sinnvoll, denn was zählt ist die Orientierung und das Auffinden an der Leiche und später am Patienten. Da die mündlichen Prüfungen in Präparierkursen im wesentlichen auf Demonstrationen an der Leiche ausgerichtet sind, ist die zu Hause vorbereitete Arbeit im Präparier-Kurs selbst der wertvollste Faktor für das Gelingen, vorausgesetzt, es wird gut, d.h. anschaulich vorbereitet und zielgerichtet präpariert. Man sollte schon frühzeitig vor den Testaten jede Gelegenheit nutzen, außerhalb der Kurszeit an der Leiche und den Modellen im Kurssaal zu studieren. Am besten läßt sich dies in einer Kleingruppe erreichen, wobei gegenseitiges Abfragen und Demonstrieren am Präparat und Kontrolle an Hand eines Atlasses am sinnvollsten sind. Beim Lernen gilt in der Regel: je größer ein Gefäß oder Nerv ist, desto wichtiger ist diese Struktur. Man sollte sich an der Leiche klar machen in welcher Höhe eventuell vorhandene Schnitte gemacht wurden und Strukturen an Modellen ebenfalls an der Leiche suchen.

Zur Literatur: Weniger ist manchmal mehr, solange die Qualität stimmt. Ein Lehrbuch (mit dessen Stil und Aufbau man zurecht kommt !) ergänzt durch einen anschaulichen möglichst naturgetreuen Atlas, vielleicht noch ein Kurzkompendium für die Prüfungsvorbereitung und eigene Notizen - mehr schafft man nicht. Für die Wahl des geeigneten Lehrbuches nehme man sich Zeit: am besten in der Buchhandlung die Abhandlungen zu verschiedenen Stichworten (z.B. Hypophyse, Kniegelenk, Plexus cervicalis, Leistenkanal) in mehreren Büchern ansehen und vergleichen.

d) Merksprüche benutzen und Eselsbrücken bauen

Diese Hilfen mögen zuweilen naiv anmuten - doch manches behält sich so schneller und einfacher.

Beispiele:
a) Merkspruch für die Handwurzelknochen (Namen hier klicken; siehe 5d):
Es fährt ein Kahn im Mondenschein dreieckig um das Erbsenbein, vieleckig groß, vieleckig klein - der Kopf muß bei dem Haken sein.

b) Merkspruch für die zwölf Hirnnerven (Namen hier klicken; siehe 4a):
Onkel Otto orgelt tagtäglich, aber freitags verspeist er gerne viele alte Hamburger.

e) Für die Testate gilt: "Der Spickzettel liegt vor einem !!!"

Je besser man "seine" Leiche kennt, desto einfacher ist es, Dinge zu zeigen. Prüfer legen auf die Orientierung am Präparat in der Regel großen Wert. Am Atlas orientiertes systematisches gezieltes Identifizieren möglichst aller testatrelevanten Strukturen ist die beste Vorbereitung darauf. Auch ist es hilfreich, an sich selbst anatomische Strukturen aufzusuchen (z.B. Tasten von Knochenpunkten, Muskelverläufen, Ausprobieren von Muskelfunktionen).

f) konkrete Tipps zum effektiven Lernen:

- An sich selbst lernen: Lernen Sie an Modellen und soweit möglich an sich selber. Sprich tasten Sie die Muskeln am Unterarm bei sich selbst und spüren Sie, wo diese an Knochen befestigt sind. Vollziehen Sie die Bewegungen nach, die die Muskeln machen. Diese finden Sie z.B. in den Lerntabellen zur Muskulatur. Wer anschaulich am eigenen Körper lernt, hat quasi einen "Spickzettel", den ihr/ihm niemand nehmen kann und wird sich auch schnell an Präparaten orientieren können.

- Übersetzen Sie immer die anatomischen Fachtermini mit denen Sie zu tun haben. Oft verraten die Namen schon etwas über Lage oder Funktion siehe b).

- Vor Kauf prüfen: bevor Sie ein Lehrbuch oder einen Atlas kaufen, versuchen Sie dies und auch ähnliche andere in Ihrer medizinischen Fachbibliothek oder von anderen auszuleihen und vergleichen Sie identische Themen darin, um zu sehen, womit Sie persönlich am besten zurecht kommen. Am besten ein bis zwei einfache (z.B. Plexus brachialis, Äste der Aorta) und ein bis 2 spezielle Themen (z.B. Bulbourethraldrüse, Ribbonsynapsen der Retina) dabei nachschlagen

- Alte Lehrbücher/Atlasse: ältere anatomische Atlasse oder Lehrbücher zeigen in vielen Fällen auch sehr gute Abbildungen und sind in der Regel ganz deutlich preiswerter. Oft sind hier auch richtig große Abbildungen zu finden, die Ansichten zeigen, die in heutigen Lehrbücher nicht oder kaum zu finden sind. Da sich die Anatomie, insbesondere die makroskopische nicht ändert, sondern nur ggf. verwendete Bezeichnungen, sind selbst über 75 Jahre alte Bilder durchaus hilfreich.

- Verstehen: ein grob oberflächliches Wissen wird nicht zum Bestehen des Physikums ausreichen, versuchen Sie immer wirklich zu verstehen, was Sie lernen. Die modernen Medien ermöglichen schnell etwas zu finden, jedoch verweilt man dann doch meist zu kurz, um sich etwas wirklich längerfristig zu merken.

- Verschiedene Lernmodalitäten: nutzen Sie verschiedene Lernmodalitäten parallel: Lehrbuch, Abbildungen aus verschiedenen Atlassen, Modelle, 3D Modelle und, wo möglich, auch den eigenen Körper. Dabei die Fachbegriffe laut sprechen ist sinnvoll.

- Selbst zeichnen: wesentliche Dinge wie z.B. die Schädelbasis, Plexus brachialis, Äste der Aorta, … sollte man selbst von einer guten Vorlage in mindestens A4 Größe abzeichnen und dabei mit Ziffern beschriften, die am Rand die Strukturen benennen. So kann man sich später schnell noch mal selbst prüfen, indem man die Lösungen zuhält. Das kostet zwar viel Zeit, bleibt aber dafür auch „besser hängen“ und hilft später in Präparierkurs sich am eigenen Präparat zurecht zu finden.

- Wiederholen: ganz wesentlich ist es, nicht alles nur einmal zu lernen, sondern dies auch nach kurzer Zeit, dann nach mehreren Tagen und dann nach größer werdenden Zeiträumen nochmals gründlich zu wiederholen.

- Sinnvoll gestaffeltes Lernen: verzetteln Sie sich nicht in vielleicht faszinierenden kleinen Details, sondern lernen Sie zuerst wesentliche Grundlagen. Dabei ist es ratsam, mit den Knochen zu beginnen, dann hat man schon mal eine gute Orientierung, danach empfehlen sich die Muskeln, dann die Lage der Organe, Arterien, Nerven und Venen.

- Lerngruppen: Überprüfen des Gelernten kann man am besten in Lerngruppen, die insbesondere im Präparierkurs sehr zu empfehlen sind. Hierbei sollte man sich vorher präzise auf ein Thema einigen und dies auch wirklich bestmöglich vorbereiten. In der Gruppe stellt jemand Fragen und jemand anderes muss dann diese beantworten und erklären während die anderen die Richtigkeit überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Hierbei ist es günstig, wenn die Beteiligten von Niveau und Motivation her etwa gleich sind. Ein Testat oder eine mündliche Physikums- oder andere Prüfung bei der ja auch Fragen mündlich zu beantworten sind, kann man so trainieren und man merkt, wo noch Wissenslücken „zu stopfen“ sind. Eine Zahl von 3 bis 5 Leuten ist am besten, damit jede(r) auch oft genug zu Wort kommt.

- "Altfragen" ansehen: Es ist ratsam, sich schon weit vor dem schriftlichen Physikum die publizierten Fragen und Antworten vieler vorheriger Prüfungen anzusehen, damit man sich ein realistisches Bild davon machen kann, was konkret erwartet wird.

- Originalpräparate: auf jeden Fall sollte man sich so viel wie möglich an Originalpräparaten bzw. Fotos korrekt beschrifteter, qualitativ hochwertiger Echtpräparate ansehen (Foto-Atlasse). Schemazeichnungen und vielleicht faszinierende 3D-Modelle sind oft unpräzise, was man dann erkennt, wenn man beides direkt nebeneinander betrachtet.

- Schnittbilder: In der Klinik werden Sie oft mit CT oder MRT Schnittbildern konfrontiert werden, daher ist es ratsam sich auch Schnittbilder genau anzusehen. Diese sind auch für das dreidimensionale Verständnis z.B. beim Verlauf von Nerven und Gefäßen sehr hilfreich. In den meisten Anatomischen Sammlungen sind Originalschnitte durch Spenderkörper vorhanden, die man am besten der Reihenfolge nach sortiert betrachtet, dann lassen sich Strukturen wie z.B. Muskeln und Gefäß-Nervenstrassen gut verstehen. In diesem Kontext können Sie auch gerne den Schnittbildatlas des Menschen im Internet zu Rate ziehen, der lückenlos in 1 mm Abstand einen männlichen Körper zeigt und sehr detaillierte Beschriftungen praktisch aller wesentlichen Schnitte bietet.

- Lernplan: Die Fülle des Lernstoffs ist sehr beachtlich, daher ist es sinnvoll sich einen Lernplan zu machen, der auch ein paar Ruhetage beinhalten sollte.

- Lernzeiten: um effektiv zu Lernen empfehle ich Ihnen Folgendes: nach ca. 15 Minuten eine kurze (wenige minütige) Pause machen, dann nach ca. 1 ½ Stunden eine ¼ Stunde Pause, dann nach 3 maximal 4 Stunden eine längere Pause (> 30 Minuten mit Mahlzeit). Nach 8 Stunden einen längeren Spaziergang oder Sport. Das Lernen selbst funktioniert erfahrungsgemäß am besten, wenn keine Ablenkungen (Handy) vorhanden sind. Eine gute Startzeit ist 8.00, dann kann man gegen Mittag die längere Pause machen und bis zum Abend schon eine Menge geschafft haben.

- Lerntabellen sind hilfreich, aber erst wirklich dann, wenn man die dort gebotenen Inhalte zuvor schon anschaulich gelernt hat. Sie ermöglichen es dann schnell noch mal zu prüfen, ob man etwas wußte, indem man sich Teile davon zuhält. Dann kann man das Nicht-gewußte noch mal genauer anschauen. Aus eigenen Erfahrungen kann ich jedoch nur davon abraten, Tabelleninhalte stur auswendig zu lernen. Das machen leider viele. Sie schauen dann meist an die Decke und beten stur den Inhalt herunter. Ein Prüfer wird aber schnell merken, dass das da nur "aufgesagt wird" und als nächstes Verständnisfragen oder die Aufforderung Dinge zu zeigen folgen lassen, was dann oft unerfreulich endet.

- Lerntafeln wie z.B. die "Weber-Tafeln" stellen sehr knapp, aber dafür schnell ersichtlich wesentliche Zusammenhänge dar, z.B. welche Muskeln ein Nerv versorgt. Ich halte sie für sehr empfehlenswert, wenn man mal schnell noch mal etwas überprüfen will. Man kann sie aber auch zum strukturierten Lernen oder auch als Vorlage für eigene ähnliche Zeichnungen nutzen. Dann sollte man aber immer noch mal an einem Präparat, Modell oder in einem Atlas die Strukturen selbst suchen bzw. verfolgen, damit man sie beim Präparieren oder in einer Prüfung auch findet.

- Karteikarten sind sicher für viele hilfreich, um sich selbst abzufragen. Als erstes Lernmedium würde ich sie nicht einsetzen, aber zur Wissensüberprüfung danach sind sie empfehlenswert. Man kann sich die aussortieren, deren Fragen man nicht beantworten konnte und diese dann gezielt nochmals durchgehen bis man alles wenigstens einmal richtig beantwortet hat.

- Digitale 3D Atlasse sind faszinierend, um Zusammenhänge anschaulich zu betrachten und gezielt einzelne Strukturen aus einem Kontext hervorzuheben oder im Verlauf zu verfolgen. Sie beruhen leider nicht immer auf Originalschnitten, oft sind kleinere Strukturen schlecht segmentiert und daher zuweilen urealistisch groß oder klein bzw. nur ungenaue Vektorobjekte. Hier gibt es aber erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen teuren und günstigen Anbietern.

Viel Spaß und Erfolg!



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